Diskussionsveranstaltung am 12. Dezember 2011 mit Ruth Zantow, Bernhard Müller und Beate Winzer
Bericht von Sonja Miltenberger
Ein Ur-Anliegen der Berliner Geschichtswerkstatt ist es, Gedenkorte sichtbar, Geschichte erlebbar zu machen. Drei Beispiele, die nicht unterschiedlicher hätten sein können, waren an diesem Abend Thema.
Bevor Ruth Zantow, Mitglied der Geschichtswerkstatt Lichtenrade, das Stolperstein-Projekt der Gruppe vorstellte, beleuchtete sie in einem kurzen Rückblick die Geschichte der Gruppe. Alles begann Anfang der 1980er Jahre mit einem Aufruf des damaligen Volksbildungsstadtrats von Tempelhof, Klaus Wowereit, Informationen über die Zeit des Nationalsozialismus vor der Haustür zu sammeln. Die Entdeckung eines KZ-Außenlagers von Sachsenhausen in Lichtenrade war der Anfang. Recherchen über die jüdischen Bewohner des Bezirks folgten.
Als dann im Jahre 2006 ein Lichtenrader Ehepaar das erste Mal nach Möglichkeiten fragte, in ihrem Stadtteil einen Stolperstein zu verlegen, begannen die Recherchen nach ehemaligen jüdischen Bewohnern. Am Ende dieser Arbeit stand die Verlegung von 33 Stolpersteinen in Lichtenrade. In enger Zusammenarbeit mit den Lichtenradern entstand ein breites Bündnis in der Bevölkerung. Das Interesse an den Stolpersteinen war enorm. In diesem Zusammenhang thematisierte Ruth Zantow auch die kontroversen Meinungen zu diesem Projekt im Allgemeinen. Und in der Tat werden die Stolpersteinverlegungen durch den Kölner Künstler Gunter Demnig sehr unterschiedlich wahrgenommen. Trampelt man auf den jüdischen Bürgern herum oder muss man sich vor ihnen verneigen, wenn man die Namen lesen will. Doch am Ende zählte die breite Zustimmung in der Bevölkerung, die das Thema der Judenverfolgung nicht nur vor die Häuser, sondern auch in die Köpfe ihrer heutigen Bewohner getragen hat.
Das Projekt „Mobiles Museum“ der Berliner Geschichtswerkstatt, vorgetragen von Bernhard Müller, kam etwas leichtfüßiger daher. Die Idee, einen ausrangierten Bus der BVG als Ausstellungsraum umzubauen, hatte Ende 1980er Jahre noch etwas Bestechendes. Der Bus, der damals recht problemlos für wenig Geld von der BVG zu erwerben war, wurde in mühevoller Arbeit entkernt und gestrichen. Zuwendungen von Senat gab es nicht. Die erste Ausstellung mit dem Titel „T 4“ über die Euthanasieprogramme der Nationalsozialisten wurde mit viel Enthusiasmus und Energie vorbereitet und durchgeführt. Der Bus erregte großes Aufsehen in der Öffentlichkeit – er stand an einem exponierten Platz in unmittelbarer Nähe zur Philharmonie. Die Presse überschlug sich und die Politiker mussten sich positionieren.
Aber als die Ausstellung vorbei war, kam die Frage auf: Wie soll es weitergehen mit dem „Mobilen Museum“? Es gab kein Nutzungskonzept und die Frage, wo der Bus mit seinen künftigen Ausstellungen stehen soll, polarisierte. Sollte er an dem authentischen Ort des historischen Ereignisses stehen, das in der jeweiligen Ausstellung im Bus behandelt wird – oder eher an einen attraktiven Standort, der viele Besucher anzieht? Eine Entscheidung wurde nie getroffen.
In der Wendezeit zog der Bus noch an verschiedene Orte in Ost- und Westberlin und zeigte seine Ausstellungen, bis er dann Randalieren zum Opfer fiel, die ihn für die Zukunft unbrauchbar machten.
Bei dem dritten Ort des Erinnerns ging es um ein sehr aktuelles Thema, nämlich die Geschichte des Tempelhofer Flugfeldes, v. a. während der NS-Zeit. Beate Winzer berichtete davon, wie sie 1989 durch einen Zeitzeugen das erste Mal vom KZ Columbiahaus erfuhr. In der Folgezeit bildete sich eine Gruppe junger Leute, die sich mit dem Thema befassten. Angetrieben von der Tatsache, dass es nie eine Strafverfolgung der Täter oder eine Entschädigung für die ehemaligen Häftlinge gab, trugen sie damals viele Informationen zusammen. Die Gruppe zerbrach 1995 und es vergingen 15 Jahre bis sich Beate Winzer entschloß, einen Verein auf die Beine zu stellen. Im November 2010 wurde der Förderverein mit dem Kurznamen THF 33-45 gegründet. Dieser erarbeitete eine Wanderausstellung, die seitdem ihren Weg durch die öffentlichen Häuser geht. Der größte Teil des Vereins jedoch beschäftigt sich mit Pressearbeit, Gespräche mit Abgeordneten und dem Stellen von Anträgen. Für 2013 plant die „Topografie des Terrors“ eine Ausstellung zur Geschichte des Flugfeldes und seiner Umgebung. In dieser Ausstellung soll das Dokumentationszentrum zur NS-Zwangsarbeit die Geschichte der Lager und der Zwangsarbeiter dokumentieren.
Einen Gedenkort wird es geben, nur – wie und was ist noch völlig unklar, da der Träger des Projekts noch nicht feststeht.